Landtagsausschüsse beraten über Hochwasserkatastrophe

Regierung informiert Landtag

"Katastrophe wird Rheinland-Pfalz lange prägen"

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Dirk Rodenkirch

Das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz ist nach einer Woche noch unklar. Die Landesregierung machte im Landtag deutlich, dass sie mit einem langen Wiederaufbau rechnet.

"Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird erst nach und nach sichtbar", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in einer Sondersitzung von drei Fachausschüssen im Landtag. Und es werde Wochen dauern, bis die Landesregierung darüber einen genauen Sachstand haben werde. "Diese Katastrophe wird unser Land auf lange Zeit prägen", so Dreyer.

Ahnen: Schäden gehen schon jetzt in Milliardenhöhe

Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) erklärte: "Sicher ist, die sichtbaren Schäden gehen schon jetzt in die Milliardenhöhe". Ob die Katastrophe einen Nachtragshaushalt für 2021 erforderlich mache, sei noch nicht abzusehen. Schon jetzt sei aber klar, dass die Katastrophe den Landeshaushalt auf Jahre hinaus belasten und beschäftigen werde. Der Wiederaufbau sei eine enorme Herausforderung. "Wir lassen die Menschen in den betroffenen Gebieten nicht allein", so Ahnen.

60 zerstörte Brücken im Kreis Ahrweiler

Allein im Kreis Ahrweiler seien mehr als 60 Brücken zerstört. 19 Kindergärten und 14 der 16 Schulen könnten nicht genutzt werden, berichtete Innenminister Roger Lewentz (SPD). Viele Straßen seien unpassierbar. Dadurch seien einige Orte weiterhin nur über Waldwege oder mit dem Hubschrauber erreichbar. Für die Beseitigung dieser kolossalen Schäden habe niemand eine Blaupause in der Schublade, so Lewentz.

Milliardenschäden offenbar allein an Schienenstrecken

Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) sagte, auch das Ausmaß der Schäden etwa im Bereich der Trinkwasserversorgung und der Abwasserbeseitigung werde noch ermittelt. Etliche Kläranlagen in der Region seien außer Betrieb. In Teilen der Eifel sei noch immer die Trinkwasserversorgung gestört. Das Bundesverkehrsministerium schätze allein die Kosten für die Instandsetzung der betroffenen Schienenstrecken auf mindestens zwei Milliarden Euro, so Spiegel.

Das Hochwasser war nach den Worten der Grünen-Politikerin "eine extreme Katastrophe weit jenseits eines hundertjährigen Hochwassers". Bäche, die sonst 60 oder 80 Zentimeter hoch seien, hätten Pegel von sechs, sieben Metern und mehr erreicht. "Der Schutz vor solch verheerenden Wassermengen ist nicht möglich", so Spiegel.

"Keine Hinweise, dass Warnketten nicht funktioniert haben"

Laut Innenminister Lewentz gibt es bisher keine Hinweise, dass bei der Hochwasserkatastrophe die Warnketten nicht funktioniert haben. "Es kam alles zusammen, was an ungünstigen Umständen überhaupt zustande kommen konnte, in diesem kleinen Ahrtal", sagte Lewentz. Für solche Situationen sei ein völlig neues Warnsystem notwendig.

"Katwarn scheint funktioniert zu haben, solange es Warnungen aussprechen konnte", so der Minister. Die Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes, Nina, allerdings "war wohl nicht einsatzfähig". Warum, wisse er nicht. Nach Lewentz Angaben hat es auch Warnungen über die Medien gegeben. In einigen Orten seien Sirenen zu hören gewesen. Der Geräuschpegel der Wassermassen sei nach Aussage von Feuerwehrleuten aber so hoch gewesen, dass diese wohl nicht überall wahrgenommen worden seien.

Dreyer geht von weiter steigenden Opferzahlen aus

Im Katastrophengebiet im Norden von Rheinland-Pfalz sind mittlerweile 128 Menschen tot geborgen worden. Das gab Ministerpräsidentin Dreyer bekannt. "Wir müssen von der schrecklichen Annahme ausgehen, dass diese Zahl noch steigen wird", sagte Dreyer. Die Menschen im Katastrophengebiet seien an Leib und Seele verletzt.

Die Ministerpräsidentin dankte erneut den Rettungskräften und auch den freiwilligen Helfern für ihren Einsatz. Tausende Freiwillige, Nachbarn und örtliche Unternehmen fassten mit an, wo sie gebraucht würden. "Diese Hilfsbereitschaft ist ein Lichtblick in diesen dunklen Stunden. Dafür danke ich allen sehr“, so Dreyer.

Mehr als 8,5 Millionen Euro auf Landes-Spendenkonto

Auf dem Spendenkonto der rheinland-pfälzischen Landesregierung für die Flutopfer sei seit gestern erneut mehr als eine Million eingegangen. Inzwischen seien mehr als 8,5 Millionen Euro auf dem Spendenkonto. Auf der Online-Plattform für Hilfsangebote sind nach Angaben der Ministerpräsidentin bereits rund 730 Hilfsangebote eingestellt worden.

Innenminister Lewentz bat um Verständnis dafür, dass einige freiwillige Helfer im Katastrophengebiet abgewiesen werden müssen. Es gebe an einigen Orten einfach zu viele Menschen, die helfen wollten. Laut Lewentz wird die Beseitigung der enormen Schäden einen langen Atem erfordern.

Auszahlungen von Soforthilfen wird vorbereitet

Um die Soforthilfen auszuzahlen, werden nach Angaben des Ministers aktuell öffentliche Zahlstellen vor Ort eingerichtet. Erste Abschlagszahlungen würden vorbereitet. In Kürze soll feststehen, wie viel Geld bereitgestellt wird. Betroffenen Haushalte können bis zu 3.500 Euro erhalten.

Aufräumen in den Hochwasserregionen Bund beschließt 200 Mio. Euro Soforthilfe - 100 Mio. Euro davon für RP

Knapp eine Woche nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz gehen die Suche nach Vermissten und die Aufräumarbeiten weiter. Die Bundesregierung beschloss eine Soforthilfe von 200 Millionen Euro, die Hälfte soll nach Rheinland-Pfalz gehen.

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Schweigeminute für Hochwasseropfer

Zu Beginn der Sondersitzung mit den Mitgliedern der Ausschüsse für Inneres, Klima und Finanzen gab es eine Schweigeminute für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Dirk Herber (CDU), mahnte, in der Situation der Katastrophe dürfe es nicht um Parteipolitik gehen. Er rief dazu auf, ein Zeichen zu setzen, dass das Land alles tun werde, um den Betroffenen beizustehen. 

CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sagte: "Wir müssen alles daran setzen, dass wir vor Ort helfen können." Die Infrastruktur müsse so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden: "Koste es was es wolle."

Von der AfD kam der Vorschlag, einen Fluthilfefonds aufzusetzen. Der AfD-Politiker Jan Bollinger forderte auch, über besseren Schutz für die Menschen zu reden und über das, was versäumt wurde.

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Dirk Rodenkirch