Buchkritik

Daniel Etter – Feldversuch

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AUTOR/IN
Claudia Fuchs

Der Fotojournalist Daniel Etter folgt in seinem Buch „Feldversuch“ dem Lauf der Jahreszeiten auf seinem Hof in Spanien und reist zu Landwirten und Viehzüchtern in verschiedenen europäischen Ländern, die mit Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft experimentieren.

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Folgen des Klimawandels 

In Spanien sind die Folgen des Klimawandels früher und heftiger spürbar als in Deutschland. Dürren und Starkregen führen zu hohen Ernteeinbußen und vermindern die Bodenqualität. 

Der 44 -jährige Fotojournalist und Hobby-Landwirt Daniel Etter beobachtet in seinem Buch „Feldversuch“, was dies in seiner Wahlheimat Spanien ganz konkret bedeutet: Etter folgt dem Lauf der Jahreszeiten auf seinem Hof in Katalonien, wo nach einem vielversprechenden Aufleben im Frühjahr die Pflanzen in der Sommerhitze kläglich verdorren.

Er begibt sich auf die Suche nach Landwirten und überzeugten Quereinsteigern, die mit regenerativem Landbau neue Wege gehen. Die Rückbesinnung auf traditionelle Landbewirtschaftung ohne künstliche Düngemittel ist hier einer von vielen Ansätzen. In der Landwirtschaft sieht der Autor den größten Hebel, der uns im Kampf gegen die Klimakatastrophe verblieben ist.  

Auf der Suche nach Alternativen 

Journalistisch kommen in diesem Sachbuch die Vorteile der klassischen Reportage wieder zu Ehren. Daniel Etter recherchiert zwar auch Daten und Fakten im Internet, aber seine sinnlichen Eindrücke vor Ort sind durch kein online-Interview zu ersetzen. Er lernt Waldgärtner, Umweltaktivistinnen, ein junges Schäferehepaar und einen Biobauern persönlich kennen und geht mit ihnen in England, Frankreich und Deutschland über Felder, Äcker und Weiden.

So bekommt er ein Gespür für die körperliche Anstrengung, die etwa mit den steilen Anstiegen in den französischen Cevennen verbunden ist und kann die psychischen Herausforderungen eines Landwirts nachempfinden, der in Brandenburg kilometerweit auf knochentrockenen Boden schaut.

Etter sieht den Regenwürmern bei der Auflockerung des Bodens zu, teilt einfache Mahlzeiten mit zwei Schafhirten und provoziert den Zorn seiner Nachbarn, als er das Gras auf seinem Grundstück nicht kurz hält, sondern hoch wachsen lässt. Immer wieder probiert er neu Erlerntes auf seinem Hof aus und muss dabei auch Niederlagen verkraften.

Als Leserin merkt man bald: Es gibt nicht die eine alternative Methode, mit der ausgelaugter Boden nach jahrzehntelanger Ausbeutung wieder in nährstoffreiches Ackerland verwandelt werden kann. Herauszufinden, was wo unter welchen Bedingungen funktioniert, erfordert Geduld und feinstes Austarieren.    

Auch Leserinnen und Leser, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, werden dieses Buch mit Interesse lesen, denn es vermittelt wichtige Grundsatzeinsichten. Ob es um die Speicherung von Kohlenstoff im Boden geht, um den Verzicht aufs Pflügen oder um klimaresistente Gemüsegärten: Entscheidend ist die Haltung, die wir alle gegenüber Boden und Tieren auf dieser Erde einnehmen. Das macht der Umweltrechtsanwalt Gus Speth deutlich, den Etter in seinem Buch zitiert:  

Ich dachte, dass die größten Umweltprobleme der Verlust von Biodiversität, der Zusammenbruch von Ökosystemen und Klimawandel seien. Aber ich lag falsch. Die größten Umweltprobleme sind Egoismus, Gier und Apathie.

Ein Mutmacher-Buch 

Was kann man diesen negativen Faktoren entgegensetzen? Nach Etter fängt es schon bei der Sprache an, die wir im Bereich Landwirtschaft benutzen. Den Begriff „konventionelle Landwirtschaft“ empfindet er als Euphemismus. Zutreffender sind für ihn Bezeichnungen wie „industrielle“ oder „chemische Landwirtschaft“.

Wenn man sich das Ausmaß künstlicher Düngung vor Augen führt, kann man ihm nur zustimmen. Dass Gemüseanbau unter Plastikfolien weder nachhaltig noch „bio“ ist, selbst wenn das Etikett auf der Packung dies suggeriert, ist auch einsichtig. Wir sollten also den Mut haben, uns von irreführenden Bezeichnungen zu verabschieden. Fraglich ist auch, ob die Vorgabe der Ertragsmaximierung in der Landwirtschaft sich inzwischen nicht längst als Auslaufmodell erwiesen hat.   

Letztendlich ist Daniel Etters Buch mit seinen eindrücklichen Fotos von Landschaften, Tieren und Menschen, die das Land anders bearbeiten wollen, ein Mutmacher -Buch. Dass sich Landwirte, die alternative Methoden der Landwirtschaft und Tierhaltung ausprobieren, oft den Unmut der Nachbarn zuziehen, muss auch Daniel Etter erfahren. Aber hier hilft vielleicht eine Rückbesinnung auf einen alten 68er-Spruch: „Revolution ist machbar, Herr Nachbar!“ 

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